Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat heute seinen Beschluss vom 10.10.2017 veröffentlicht, in dem es eine Eintragungsmöglichkeit für intersexuelle Menschen im Geburtenregister fordert. Nach dem bis heute geltenden Personenstandsgesetz (PStG) konnte im Geburtenregister nur das weibliche oder das männliche Geschlecht eingetragen werden. Eine andere Option wie z. B. „inter“ oder „divers“ für intersexuelle Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, gibt es nicht. In diesem Fall sieht § 22 Abs. 3 PStG vor, dass kein Geschlecht eingetragen wird. Diese Regelung haben die Karlsruher Richter nun gekippt. Der Gesetzgeber muss bis zum 31.12.2018 eine Neuregelung schaffen, die es ermöglicht, neben den beiden klassischen Geschlechtern „weiblich“ und „männlich“ noch eine dritte Variante einzutragen, wenn der betreffende Mensch weder das eine noch das andere ist.
Personenstandsgesetz verstößt gegen Art. 2 und 3 des Grundgesetzes
Rechtlich begründet haben die Karlsruher Richter ihre Forderung nach einem dritten Geschlecht im Geburtenregister mit zwei Artikeln aus dem Grundgesetz (GG). Zum einen schützt Art. 2 Abs. 1 GG mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität derjenigen Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Zum anderen verbietet das Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG den Ausschluss von der Eintragungsmöglichkeit bei intersexuellen Menschen, denn das Geschlecht darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleich-behandlung herangezogen werden.
Gesetzgeber muss bis Ende 2018 eine Neuregelung schaffen
Nach dem Beschluss der Karlsruher Richter ist der Gesetzgeber nun verpflichtet, bis zum 31.12.2018 das Personenstandsrecht entsprechend zu ändern. Es steht ihm dabei aber frei, ob er für die intersexuellen Menschen ein drittes Geschlecht schafft oder generell auf den personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag verzichtet. Bei der Schaffung eines dritten Geschlechts kann er auf die Bezeichnungsvorschläge des Antragstellers dieses Verfahrens zurückgreifen oder eine gänzlich andere Bezeichnung wählen. Den Gerichten und Verwaltungsbehörden hat das BVerfG hingegen verboten, die strittigen verfassungswidrigen Normen weiter anzuwenden.
Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die betreffenden Normen nicht mehr anwenden, soweit sie für Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich deswegen dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen.
(BVerfG, Beschluss v. 10.10.2017, Az.: 1 BvR 2019/16)
Quelle: Anwalt.de
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